PRODUKTINFOS: LINE 6 - KB37
Das KB37, die Eierlegendewollmilchsau!?
Ich war doch etwas überrascht und erstaunt, als ich ein Gitarrenmodelling-Amp im Gewand eines Minikeyboards sah. Aber nach kurzer Überlegung macht dies absolut Sinn. Auch als Gitarrist möchte man beim Aufnehmen zu seinen Gitarrentracks gerne auch mal eine Fläche oder Drums hinzufügen. Da macht es umso mehr Spass, wenn gleich ein Keyboard zur Verfügung steht.
Doch das KB37 bietet noch mehr. Es ist auch ein Audiointerface mit 2 Mikrophon- und 2 LINE-Eingängen. Somit bleibt kein Wunsch offen, um sofort eine kleine Session aufzunehmen und seine Ideen festzuhalten.
HARDWARE
Beim Auspacken des Geräts springt einem als erstes das schicke Retro-Design ins Auge. Somit unterscheidet sich das KB37 schon gleich von der Optik her von herkömmlichen Audiointerfaces. Die großen silbernen Drehregler erinnern an die einer Gitarre. Auch die in das Gehäuse eingelassenen VU-Meter, die den INPUT- oder OUTPUT-Pegel anzeigen, erinnern stark an die gute alte analoge Zeit. Das Gehäuse ist robust verarbeitet. Die Knöpfe und Regler sind übersichtlich angeordnet. Ein Netzteil ist nicht nötig, da das KB37 über den USB Port gespeist wird. Sollten Störgeräusche am Ausgang auftreten, empfiehlt sich ein aktiver USB-Hub, da manche Rechner nicht genügend ausreichend „sauberen“ Strom für die externen USB-Geräte liefern.
Bedienelemente:
- Anschlagdynamische 37-Noten-Tastatur in normaler Größe: vom Preis-/Leistungsverhältnis ok, aber eine etwas bessere Verarbeitung und Qualität wäre wünschenswert. Es kann zur fehlerhaften Übertragung von Velocitywerten kommen, wenn die Tastatur noch neu und ungespielt ist
- OCTAVE SELECT: das Keyboard kann damit bis zu 3 Oktaven hoch- oder runtergestimmt werden
- Pitchrad: die Feder für die Rückstellung auf den 0-Wert könnte etwas härter gespannt sein
- Modulationsrad (frei konfigurierbar)
- SOUND SELECT: auf und ab (frei konfigurierbar)
- 4 Drehregler (frei konfigurierbar, haben etwas viel Spiel beim Anfassen)
- 4 Knöpfe (frei konfigurierbar)
- Transport-Knöpfe: Zurück, Vor, Stopp, Play, Record
- Drehregler für MIC1 und MIC2 Eingang
- Drehregler für OUTPUT-Lautstärke
- Drehregler für Kopfhörerlautstärke
Rückseite:
- Eingänge:
- Gitarren/Bass Input mit Pad-Schalter
- Stereo-Analog-IN (2 symmetrische Klinkenbuchsen für Line-Pegel)
- 2 Mikrofoneingänge mit +48V Phantomspeisung
- Stereo-Monitoreingang (Stereoklinke)
- Anschluss für ein Schwellpedal, das als Wah-/Volumenpedal für GearBox™ oder zum Steuern von MIDI-Parametern verwendet werden kann
- Zwei Fußtasteranschlüsse für die Bedienung von GearBox™ (Effekt an/aus, Sound-Anwahl, Tap Tempo usw.) oder anderer MIDI-Programme (Sustain, Start/Stop, Punch In/Out usw.)
- Ausgänge:
- Stereo-Digital-Ausgang: S/PDIF
- Stereo-Analog-OUT (2 symmetrische Klinkenbuchsen)
- Stereoklinken-Kopfhöreranschluss
Monitoring und Latenz:
Line 6 Produkte arbeiten mit dem Tone Direct™ Monitoring. Das patentierte low-latency Verfahren hat keinen Einfluss auf die Latenz, die im Aufnahmeprogramm eingestellt wird. Es wird immer eine niedrige Latenz bei maximalem Sound bereitgestellt. Im Vergleich zu einem analogen Amp, ist die Latenz immer noch leicht vorhanden. Jedoch im Vergleich zu einer Softwaresimulation in Verbindung mit einer Soundkarte eines beliebigen anderen Herstellers, ist sie kaum spürbar. Das Gefühl ist schwer zu beschreiben. Ein Röhrenamp fühlt sich irgendwie direkter an.
Zur Puffergröße bzw. Latenz im Audioprogramm ist noch zu sagen, dass auf einem Mac kleinere Latenzwerte gewählt werden können als beim PC, bevor die typischen Klicks und Pops in der Audioaufnahme auftauchen.
Bei meinem Testsong:
- Mac: 64 Samples
- PC: 256 Samples
Aufnahmemodi:
- 44,1 und 48 kHz nativ
- 96 kHz wird mittels einer internen Samplingfrequenzumwandlung erreicht
- Dual-Tone Modus: dabei können Signale (z.B. Gitarre und Mikrophon) gleichzeitig aufgenommen werden
SOFTWARE
Es werden 2 CD’s mit der GearBox™- und Ableton Live Lite Software mitgeliefert. Die Installation der GearBox™, sowie der ganze Updateprozess mit dem mitgelieferten Monkey Programm, gestaltet sich als sehr einfach. Monkey scannt beim Starten die installierten Treiber und Programmversionen und gleicht diese mit dem LINE6-Server ab. Man erhält eine Übersicht und kann mit ein paar Klicks wählen, was installiert werden soll. Ein Suchen auf der Webseite nach dem aktuellen Treiber oder der aktuellen Programmversion entfällt und spart viel Zeit, das Gerät mit der neuesten Software an den Start zu bekommen. Da nimmt man die vorangehende Userregistrierung gerne in Kauf.
GearBox™-Software
Beim ersten Öffnen der GearBox™ wird sogleich das PDF-Handbuch geöffnet und zeigt den korrekten Anschluss des Geräts an. Somit sind Fehlerquellen beim ersten Betrieb ausgeschlossen. Die Software ist sehr intuitiv und Gitarristen, die mit realen Amps und Bodenpedalen gearbeitet haben, finden sich schnell zurecht.
Beim Einstecken eines Expression-Pedals in das Gerät springt die GearBox™ Software in der Grundinstallation sofort zur WahWah-Seite. Ein nettes kleines Feature. Ähnliches passiert mit den Footswitch-Eingängen: Footswitch 1 schaltet zur Stomp-Seite um, Footswitch 2 dient zum Umschalten zwischen Amp und Stimmgerät.
Es stehen immens viele Effekte, Amps und Presets zur Verfügung. Die Preset sind manchmal etwas Effektüberladen und müssen leicht nachkorrigiert und an die jeweilige Gitarre angepasst werden.
Hum Reducer Funktion:
Röhrenbildschirm, Neonröhren, Funktelefone und Dimmer können in das Signal der Gitarre einstreuen. Die Hum Reducer Funktion besitzt einen Learn-Modus, der diese Störgeräusche erkennt und sie beseitigt.
Amp-Simulationen:
- Guitar Amp
- 18 Ampsimulationen (von Heavy bis Clean)
- Preset „Solo 100 Head“bietet einen perfekten Rocksound
- Preset „Britgain 18“ ist für alles andere sehr interessant
- Je nach Amp werden typische Speakersimulationen gleich mitgeladen, die nach eigenem Geschmack beliebig verändert werden können (24 verschiedene Speakersimulationen sind möglich, die mit den Cursortasten durchprobiert werden können). Somit sind immense Klangveränderungen möglich
- 18 Ampsimulationen (von Heavy bis Clean)
- Bass-Amp
- Pre-Amp
Die einzelnen Bodenpedale:
- Gate: die Qualität und Reaktion ist sehr gut
- Volume: über Midi-Controller steuerbar
- WahWah:
- Gut klingendes WahWah
- Über Expression-Pedal steuerbar
- Stomp:
- verschiedene Verzerrereffekt-Simulationen
- Oktaver
- DeEsser für Gesangspresets
- Compressor
- Bass Overdrive
- Delay:
- Die Tap Tempo Funktion ist mittlerweile Standard
- Analog Delay: Nachbildung des Electro-Harmonix® Deluxe Memory Man
- Tube Echos: Nachbildung des Maestro EP-1
- Digital-Delays
- Cab-Models:
- Es handelt sich hier um eine variable Mikrofonabnahme- und Raumsimulation
- 4 verschiedene Mikrophone können gewählt und anschließend mit der Maus vor dem Amp positioniert werden
- Compressor:
- Eine Nachbildung des klassischen Studio-Standard 2A® Tube Compressors
- Einfache Bedienung mit nur 2 Regler (Threshold und Gain)
- auch als Booster missbrauchbar
- 4-Band parametrischer Equalizer
- Gain und Frequenz können beliebig verändert werden, der Q-Faktor jedoch ist vorgegeben
- Grafische Darstellung vorhanden
- Modulation:
- Flanger
- Chorus
- Phaser: basiert auf dem MXR® Phase 90
- Tremolo (mit TapTempo): basiert auf dem optischen Tremolo Schaltkreis, der in den Blackface Fender® Amps zum Einsatz kam
- Leslie: wurde dem Leslie® 145 nachgebildet
- U-Vibe: simuliert den von Jimi Hendrix bekannten Sound des Uni-Vibe (klingt wie Phaser mit LFO Modulation)
- Reverb: verschiedene gut-klingende Reverbs für Gitarre und Gesang
Metronom:
Zum Üben mit der Gitarre ist in GearBox™ ist ein einfacher Rhythmuscomputer mit verschiedenen Rhythmuspatterns integriert, die auch noch selbst beliebig geändert werden können. Alle Taktarten sind möglich (z.B. sogar ein 15/16tel Takt).
Player:
Mit diesem Feature ist es möglich ein Stereofile in die Software zu laden, zu dem gespielt werden kann. Dabei kann die Lautstärke verändert, das File geloopt und in halber Geschwindigket angehört werden. Die Qualität des Timestretching/Pitchshifting Algorithmus ist mässig
Tone Library:
Bei dieser Funktion braucht man eine Internetverbindung. Die Software holt sich dann eine Presetliste vom LINE6 Server. User, die Sounds programmiert haben, können diese dort hochladen und anderen zur Verfügung stellen. Interessant ist dabei die Gruppierung nach Band und Song des jeweiligen Gitarrensounds. Die Sounds sind eine gute Anlehnung an die Originale, aber mit etwas Kenntnis bekommt man sie auch durchaus selbst hin. Ein Qualitätsrating wäre dabei noch sinnvoll.
GearBox™ Plug-In und Model-Packs
Die Effekte und Amps funktionieren nur in Realtime. Somit wird bei Verwendung einer Sequencersoftware der Effekt immer aufgenommen. Es besteht zwar die Möglichkeit ein „trockenes Signal“ aufzunehmen, kann aber anschliessend nicht verändert werden. Möchte man diese Freiheit aber haben, kann optional das GearBox™ Plug-In erworben werden. Somit stehen alle Amps und Effekte als AU-/VST- und RTAS-Plugins in den jeweiligen Programmen zur Verfügung.
Reicht einem die mitgelieferte Auswahl des Geräts nicht aus, besteht die Möglichkeit noch weitere sog. Model-Packs mit zusätzlichen Gitarren- oder Bass-Ampsimulationen, sowie Effekten zu erwerben.
FAZIT:
Ich bin von diesem Gerät begeistert. Alles, was nötig ist, um eine Songidee mit Bass-/Gitarre/Keyboards und einer Stimme festzuhalten ist in dem Gerät vereint. Es bietet für jeden Bereich gut klingende Presets mit einem sehr guten Preis-/Leistungsverhältnis. Die wenigen negativen Punkte sind mehr Verbesserungsvorschläge und vielleicht wird der eine oder andere Punkte von mir in einem Update verbessert. Das Gerät ist rundum zu empfehlen.
- Cooles Retrodesign
- Gute Verarbeitung
- Selbsterklärende Software mit einfacher Update-Funktion
- Intuitive Bedienung
- Reichhaltiges Angebot an Presets, Amps und Effekte
- Guter Sound
- Gutes Preis-/Leistungsverhältnis
- All-In-One-Lösung
- Modulare Erweiterung an zusätzlichen Amps und Effekten auch für Bässe
- Nur englische Bedienungsanleitung
- MIDI-Control Settings: man vermisst Controller-Presets für Apple Logic Pro und Steinberg Cubase (Presets für Garageband, Ableton Live und Reason 3 werden mitgeliefert)
- Rückstellfeder beim Pitchregler etwas schwach
- Keyboardtastatur: das Testgerät hatte eine fehlerhafte Taste. Bei dieser wurde nur der Velocity-Wert 0 oder 127 übertragen. Nach mehrmaligem schnellen starken und schwachen Anschlagen an der Spitze und an der Aufhängung der Taste, konnte dieser Fehler behoben werden. Mein MIDI-Controller Setting für Logic Pro, kann HIER HIER runtergelanden werden.
- Die 4 Drehregler haben etwas viel Spiel
- MIDI In und OUT fehlt, wäre jedoch wünschenswert