WORKSHOPS: Surround (die Geschichte des Mehrkanaltons)
Wenn wir uns die heutige Entwicklung und die zunehmende Verbreitung von Surround-Sound ansehen, glauben wir, etwas völlig Neues mitzuerleben. In Bezug auf den Fortschritt der medientechnischen Entwicklungen ist das sicherlich richtig. Anders betrachtet versuchen wir die Fähigkeiten der Reproduktion von Musik und Klängen im Allgemeinen mehr und mehr unseren sonstigen Sinneseindrücken aus der realen Welt anzupassen.
Im Alltag sind wir fast überall von Klängen umgeben. Selbst wenn wir alleine durch einen leeren Raum gehen, hören wir die Reflektionen unserer Schritte und des Raschelns unserer Kleidung im Raumklang-Ton. Wir können uns dadurch auch hervorragend mit dem Gehör orientieren. Das geschieht sehr viel unbewusster als unsere Orientierung mit dem Auge. Allein das zeitliche Auflösungsvermögen unseres Gehörs ist dem des Auges bei weitem überlegen. Die Fernsehauflösung von 25 Bildern pro Sekunde genügt, um fließende, bewegte Bilder zu sehen - für unser Gehör beginnt bei einem entsprechendem zeitlichen Abstand zwischen zwei Signalen bereits die Echo-Wahrnehmung.
Wenn wir im Alltag immer von Klängen umgeben sind, warum sollten wir uns dann bei der Reproduktion von Klängen auf Mono oder Stereo reduzieren? Die Tendenz, Töne bei Konzerten oder zu Filmen so wie im "wahren Leben" zu erleben, ist nicht neu. Sowohl bei der Reproduktion als auch in Live-Situationen hat es vielfältige Ansätze gegeben, das Publikum vom Klang zu umhüllen.
Live-Musik vor der Schallaufzeichnung
Musiker kennen den Sound von allen Seiten ohnehin aus unzähligen Proberaumsituationen. Und jeder Orchestermusiker ist, je nach Position, ebenfalls von einem Raumklang umgeben - auch wenn dies heute nicht immer gezielt oder völlig kontrolliert geschieht.
Bereits früher haben Komponisten bewusst räumliche Effekte bei ihren Kompositionen und den Aufführungen ihrer Musik eingesetzt. Begonnen hatte das mit der Verteilung von Musikern im Raum bei Festivitäten und Konzerten. Zur Kunstform ist es erst in der sakralen Musik geworden.
Beim "Gegengesang" (Antiphon) wurden gregorianische Choräle auf Chor und Vorsänger oder auf zwei Chöre verteilt, die sich auch an verschiedenen Positionen im Raum befanden. Einführende oder kommentierende Elemente wurden dabei wechselseitig gesungen. Der Antwortgesang (Responsorium) von Vorsänger und Gemeinde ist noch immer in der römisch-katholischen, anglikanischen und lutherischen Liturgie zu finden.
In vielen Kirchen befindet sich eine Orgel, meistens hinter der hörenden Gemeinde. Der Direktschall kommt dabei von hinten, und die Reflektionen verdichten sich, je nach Architektur der Kirche, intensiv zu einem allseitigen Nachhall. Dieses wurde als Emotionen steigernder Effekt angesehen und selbstredend in Kirchen auch gewünscht.
In Venedigs Markusdom gab es bereits im 14. Jahrhundert eine Orgel. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde vis-á -vis der ersten eine zweite gebaut. Je nach Kompositionen wurde den Orgeln eine Instrumentalgruppe oder auch ein Chor hinzugefügt. Mit der bekannten antiphonen Arrangiertechnik wechselten sich die beiden Chöre teilweise Wort für Wort im Gesang ab. Am Höhepunkt einer Komposition verschmolzen sogar zwei vierstimmige Vorträge zu einem achtstimmigen Satz. Das Publikum saß dabei zwischen den beiden Gruppen und somit auch im Zentrum der Reflektionen und des Nachhalles. Diese Form wurde so populär, dass in der Folgezeit bis zu sechzehnstimmige Sätze im Markusdom aufgeführt wurden.
Sehr weit getrieben hat dies zur selben Zeit Thomas Tallis in England. In seiner Motette "Spem In Alium" sangen acht Chöre einen vierzigstimmigen Satz! Zur Aufführung wurden die Chöre im Raum verteilt. Allein die Stereo-CD-Version dieser Motette ist absolut hörenswert und lässt erahnen, wie diese Musik live - oder auch in Surround - klingen mag. Unter www.brightonconsort.org finden Sie die vierzig Einzelstimmen als MIDI-Dateien zum freien Download.
In der Renaissance war es durchaus üblich, Musiker auf unterschiedliche Positionen im Raum zu verteilen. Später, in der Romantik, verbreitete sich zunehmend das frontale Konzerthören für das bürgerliche Publikum. Die Entwicklung der Mehrkanalvertonung wird häufig parallel mit der Entwicklung des Kinotons gesehen, was bei den neueren Techniken durchaus seine Berechtigung hat. Neben den weitgehend bekannten Fortschritten der ersten Audioaufzeichnungen und -übertragungen werde ich mich im Folgenden ausführlicher mit den Aspekten des Mehrkanaltones befassen.
Surround im Kino - "Fantasound"
Bereits 1938 begann Walt Disney mit den Vorbereitungen für einen abendfüllenden Konzertfilm, der diverse multimediale Ebenen bedienen sollte. Disney plante ein neues Breitbild-Format, ein völlig neues Soundsystem und sogar den Einsatz von Düften im Kino. Verwirklicht wurde damals nur das Soundsystem. Der Techniker Bill Garity hat zusammen mit RCA (Radio Corporation of America) den "Fantasound" für den Film "Fantasia" entwickelt. Ursprünglich war der Sound fünfkanalig und wurde bei der Premiere des Filmes (New York, 13. November 1940) mit vierkanaligem Lichtton auf einem 35-mm-Film wiedergegeben.
Fantasia-Plakatwerbung (© widescreenmuseum.com)
Cinerama
1952 wurde die "Cinerama"-Technik vorgestellt: ein Breitwandfilmverfahren mit drei parallel laufenden Filmprojektoren. Diese wurden synchronisiert und projizierten das Bild über Kreuz auf eine gewölbte Leinwand. Das Bild erhielt dadurch ein 3-zu-1-Verhältnis. Für den Ton wurde ein vierter Projektor synchronisiert. Hierauf lief ein 35-mm-Film mit sieben Magnettonspuren. Der Sound wurde von fünf Lautsprechern hinter der Leinwand (1 - Links, 2 - Mitte links, 3 - Mitte, 4 - Mitte rechts, 5 - Rechts) und von mehreren Effektlautsprechern im Kinosaal wiedergegeben. Der erste Cinerama-Spielfilm kam erst 1962 auf die Leinwand - "The Wonderful World of the Brothers Grimm". Es gab allerdings nur wenige Spielfilme in diesem Format. Der bekannteste war "How the West Was Won". Das einfacher zu bedienende "Cinemascope" löste Cinerama ab. Heute gibt es weltweit nur noch drei Cinerama-Kinos: in Seattle, Los Angeles und Bradfort (England)
Cinemascope
Bereits 1927 hatte Henri Chretien das Anamorphoskop entwickelt. Die 20th Century Fox hatte ihm 1952 die Rechte daran abgekauft und daraus das Cinemascope-Verfahren entwickelt. Das Prinzip besteht darin, den Film bereits bei der Aufnahme mit einer "anamorphotischen" Linse horizontal zu stauchen - also schmaler zu machen. Dadurch passte ein mehr als doppelt so großer Bildausschnitt auf den 35-mm-Film. Bei der Wiedergabe wurde der Film durch eine entsprechend umgekehrte Linse projiziert, die den Ausschnitt wieder auf das originale Verhältnis brachte. Somit war die Projektion eines Cinemascope-Filmes mehr als doppelt so breit wie die eines normalen 35-mm-Filmes.
In den 50er Jahren gab es noch die Systeme "Cinemiracle" und "Todd-AO", zwei weitere Breitbildformate für das Kino. Das System war eine Zeit lang sehr populär - besonders als Premierenformat. Die hohe Qualität des 70-mm-Films und der sechskanalige Magnetton sorgten für ein beeindruckendes Kinoerlebnis. Für den Ton wurden fünf Kanäle auf Lautsprechern hinter der Leinwand wiedergegeben, der Effektkanal über den Saallautsprecher. Der 70-mm-Film bot mehr Platz - auch für die Tonspuren, die deshalb breiter sein durften, was die gesamte Audioqualität deutlich erhöhte und diesmal auch im Surround-Kanal.
Sensurround
Das "Sensurround"-System wurde 1975 speziell für den Film "Earthquake" entwickelt (MCA). Es hatte einen Stereo-Lichtton und eine Magnettonspur speziell für die tiefen Frequenzen (16 bis 120 Hz). Dafür mussten zehn große Tieftonlautsprecher im Saal verteilt werden. Sie sollten einen Schalldruck von 100 bis 120 dB erzeugen. Das führte dazu, dass in einigen Kinos der Staub von der Decke rieselte, was die Filme "Earthquake" oder "Achterbahn" noch realistischer wirken ließ. Der Putz fiel aber weder lange noch häufig von den Wänden, da nur sehr wenige Filme mit Sensurround hergestellt wurden.
Dolby
So hochwertig der Magnetton für den Film auch war, es gab auch entscheidende Nachteile: Zum einen war Magnetton um ein Vielfaches teurer als Lichtton. Zum anderen alterte das Material und die Magnetstreifen lösten sich nach mehrmaligem Abspielen langsam auf. Der amerikanische Ingenieur Ray M. Dolby versuchte deshalb, den Lichtton qualitativ zu verbessern. Bereits 1965 hatte Ray Dolby das Rauschunterdrückungssystem "Dolby A" entwickelt. Es schaffte bis zu 10 dB Rauschminderung in den hohen Frequenzen und wurde auch häufig bei Magnetband-Aufzeichnungen im Rundfunk eingesetzt. Dolby entwickelte zudem ein Verfahren, das zur besseren Abtastung des Lichttons führte. Der richtig große Schritt gelang ihm durch die Einführung von "Dolby Stereo", im Heimbereich später "Dolby Surround" genannt.
Dolby Stereo
Der große Vorteil der Matrixkodierung liegt in der Stereo- und Monokompatibilität. Ist in einem Kino keine Surround-Anlage vorhanden, so kann der Dolby-Stereo-Ton ohne Probleme einfach stereo, wenn nötig sogar mono abgespielt werden.
Dolby Stereo wurde mit dem Filmen "A Star is born" und "Star Wars" (1977) der Öffentlichkeit erstmals präsentiert. Der Dolby-Stereo-Ton befindet sich als Lichtton auf zwei Spuren des Filmmaterials. Wie erwähnt hat Lichtton eine deutlich schlechtere Qualität als Magnetton. Deshalb hatte Dolby sein Rauschunterdrückungssysteme "Dolby A" hierfür eingesetzt. Die Kombination von Dolby Stereo mit Dolby A brachte zum einen eine gute Tonqualität in die Kinos, zum anderen konnten damit die genannten Schwierigkeiten beim Magnetton umgangen werden.
Dolby SR
Die Bezeichnung "Dolby SR" wird häufig fälschlicherweise als "Dolby Surround" gedeutet. Das ist nicht richtig. "SR" steht für "Spectral Recordings" und stellt eine Weiterentwicklung der Dolby-Rauschunterdrückungssysteme dar. 1987 wurde das im Verhältnis zu Dolby A wesentlich bessere Dolby SR vorgestellt. Dolby nannte es "a second-generation professional recording system". Dolby SR vermindert nicht nur Rauschen und andere Störungen der Tonaufzeichnung, es verbessert nach Angabe von Dolby auch die Dynamik um 25 dB. Bei den Filmen "Die Reise ins Ich" und "Robocop" wurde diese Technik erstmals eingesetzt. Die Kombination von Dolby Stereo und Dolby SR - "Dolby Stereo SR" genannt - befindet sich heute, neben anderen digitalen Formaten, immer analog auf den Lichttonspuren jedes Kinofilmes.
Cinema Digital Sound
Die Unternehmen Optical Radiation Corporation und Eastman Kodak hatten 1990 eine digitale Lösung für eine komplette Kanaltrennung entwickelt. Sie nannten ihr System "Cinema Digital Sound" (CDS). Es erfüllte die gleichen Anforderungen wie heute Dolby Digital. CDS wurde als 5.1-System genutzt. Die sechs Spuren wurden als Links, Mitte, Rechts, Surround links, Surround rechts und Bass eingesetzt. CDS ist heute gänzlich vom Markt verschwunden. Der größte Fehler bei der Einführung von CDS war es wohl, keine parallele Lichttonspur als Ersatzspur zu verwenden. Fiel der digitale Ton aus, blieb der Film stumm. Sowohl Dolby Digital als auch DTS verlangen eine parallele Lichttonspur, auf die das Wiedergabesystem bei Ausfall des Digitaltons automatisch ausweicht. Die ersten Filme mit CDS waren "Tage des Donners", "Dick Tracy" (1990, beide auf 70-mm-Film), "The Doors", "Hudson Hawk", "Terminator 2" (1991).
Dolby Digital
1992 stellte das Unternehmen Dolby ihr "Dolby Digital" vor. Dolby hatte aus den Fehlern von CDS gelernt, und man brachte zusätzlich zum Digitalton auch den Lichtton mit auf dem Film unter. Beim Ausfall des Digitaltons wird automatisch der Lichtton wiedergegeben, der bei "Dolby Stereo SR" auf jedem Film zusätzlich verfügbar ist. DD wird in der Regel als 5.1-Ton wiedergegeben. Nachdem in nur wenigen Kinos Testversionen von "Star Trek VI" liefen, war "Batmans Rückkehr" der erste Kinofilm mit DD-Ton.
Digital Theatre System
Zwei Jahre später stellten Universal und Matsushita ein alternatives System vor: "DTS". Der digitale DTS-Ton wird im Gegensatz zu DD nicht direkt auf dem Film aufgebracht. Er läuft von einem synchronisierten CD-Spieler ab. Dazu befindet sich auf dem Film eine Timecode-Spur, die den CD-Spieler steuert. Auf dem Film befinden sich nach wie vor die beiden Lichttonspuren. Sollte das Timecode-Signal aus irgendwelchen Gründen unterbrochen sein, wird der Digitalton asynchron sechs Sekunden weitergespielt, bis automatisch zum Lichtton geschaltet wird. DTS ist genau wie Dolby Digital sechsspurig (5.1). Da bei Dolby eine größere Datenreduktion zum Einsatz kommt, wird dem DTS-Ton eine leicht höhere Audioqualität zugesprochen. Beispiele dazu finden Sie auf der beiliegenden DVD. Der erste Film mit DTS-Ton war "Jurassic Park" (1993). Die Formate DTS und Dolby Digital sind in Kinos weit verbreitet. DTS hat gegenüber Dolby den Vorteil, dass es relativ günstig in den Kinosälen zu installieren ist und auch bei 70-mm-Filmen eingesetzt werden kann.
6.1-Sound
Dem Vernehmen nach wollte der große Filmproduzent George Lucas, dass seine Raumschiffe über die Kinosaalbeschallung von hinten nach vorne fliegen können. Bislang konnten sie mit der 5.1-Technik "nur" von hinten rechts oder hinten links schwebend akustisch untermalt werden. Da die menschliche Fähigkeit, rückwärtige Phantomschallquellen zu orten, sehr eingeschränkt ist, musste das System erweitert werden. Dolby hat daraufhin "Dolby Digital EX" mit einem zusätzlichen Surround-Center-Kanal entwickelt (6.1). "Star Wars, Episode I" war im Jahr 1999 der erste Kinofilm mit "Dolby Digital EX".
DTS hat nicht lange auf sich warten lassen und 1999 mit DTS-ES ebenfalls ein 6.1 System mit Surround-Center vorgestellt. Bei Dolby wird der hintere Center matrixkodiert in den beiden Surround-Kanälen versteckt.
DVD-Video
In den 1990er-Jahren setzte sich die CD mehr und mehr als Massenspeicher für Computerdaten durch, da ihre Speicherkapazität um Größenordnungen höher als die der Computer-Disketten war. Auch Musik- und Sprachaufnahmen konnten komfortabel darauf gespeichert werden.
Schließlich passte mehr als eine herkömmliche LP auf eine CD. Etwas anders gestaltete sich die Geschichte im Video-Bereich. Es gab zwar bereits Video-CD und LaserDisc, aber deren Kapazität reichte nicht, um sich auf dem Markt durchzusetzen. Auf eine Video-CD passte ein Film mit maximal 74 Minuten und zwang dadurch die Nutzer, mitten im Film die CD zu wechseln. Auf eine LaserDisc passten zwar 128 Minuten Film, die Qualität war allerdings dürftig.
Die Industrie forschte an der Erhöhung der Speicherkapazität der CD. Dabei entstanden einige Vorläufer der heutigen DVD: die "Multimedia-CD" (MMCD) von Sony und Philips sowie die "Super Density CD" (SD) von Toshiba, Time Warner und anderen. Um nicht den gleichen Fehler zu machen wie bei der Einführung der Video-Heim-Videoformate (VHS, Betamax, Video 2000), entschlossen sich die Hersteller, sich auf einen gemeinsamen Standard zu einigen. Angeführt von IBM verständigten sich diverse Computer-Hersteller 1995 auf ein aus beiden Verfahren kombiniertes DVD-Format. Zunächst war die DVD ausschließlich für die Verbreitung von Videos gedacht, woher auch die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs "Digital Video Disc" rührt. Später entwickelte sich die DVD zu einem universellen Speichermedium, und mit "Digital Versatile Disk" (versatile = vielseitig) wurde der erweiterten Funktion gleich ein neuer Untertitel verpasst.
DVD-Audio/SACD
1990 wurde das DVD-Audio-Format standardisiert. Wie das konkurrierende Format Super-Audio-CD (SACD) war auch die DVD-Audio für eine verlustfreie Auslieferung von Surround-Sound gedacht. Die DVD-Audio kann dabei einen 5.1-Surround-Sound mit 96 kHz und 24 Bit wiedergeben.
Im Stereo-Modus sind sogar 192-kHz-Abtastraten möglich. Im Gegensatz zur Video-DVD findet bei der DVD-Audio keine verlustbehaftete Datenkompression des Sounds statt, wodurch eine wesentlich größere Klangqualität möglich wurde. Die höhere Auflösung tat ein Übriges dazu.
Da die WG4 (DVD Forum Working Group), die den DVD-Audio-Standard verabschiedete, keinen Kopierschutz-Standard integriert hatte, war die Markteinführung der DVD-Audio sehr schleppend. Auch die Unfähigkeit vieler DVD-Video-Spieler, die das DVD-Audio-Format nicht unterstützten, erschwerte die Verbreitung. Dasselbe Schicksal ereilte auch die SACD.
In den USA und in Japan sind die Audio-High-End-Formate einigermaßen gut verbreitet. In Europa spielen sie kaum noch eine Rolle. Eine Anfrage bei einer großen deutschen Elektronik- und Musik-Handelskette im Herbst 2007 führte zu dem ernüchternden Ergebnis, dass wegen der geringen Nachfrage Audio-DVDs und SACDs komplett aus dem Programm genommen wurden.
Blu-Ray Disc
Inzwischen scheint es, dass die Neuentwicklungen "HD-DVD" und "Blu-Ray Disc" die Möglichkeiten von Audio-DVD und SACD übernehmen und diese damit verdrängen. Lange war nicht klar, welches dieser beiden Systeme die Oberhand erhalten würde. Im Januar 2008 erklärte auch Warner nach einigen anderen Großen der Filmbranche, ihre Produkte in Zukunft nur noch auf Blu-Ray Disc (im folgenden BD genannt) zu veröffentlichen. Damit dürfte die Entscheidung für ein System gefallen zu sein und die HD-DVD bald ganz vom Markt verschwinden.
BD unterstützt verschiedene Sound-Formate. Vorrangig wird DTS und DTS-HD eingesetzt. Möglich sind aber auch Dolby Digital, Dolby TrueHD, Dolby Digital plus und LPCM (Linear PCM). Auf der BD können maximal acht Audiokanäle wiedergegeben werden. Die Systeme LPCM, DTS-HD, Dolby Digital Plus und Dolby TrueHD können mindestens acht Kanäle mit 24 Bit Auflösung wiedergeben. Die Samplerate kann dabei teilweise bis zu 192 kHz betragen. Welche Audio-Codes unterstützt werden, hängt vom jeweiligen Wiedergabegerät ab. Die hochauflösenden Codes DTS-HD und Dolby TrueHD benötigen eine HDMI-1.3-Schnittstelle (HDMI steht für ›High Definition Multimedia Interface‹), um den Ton achtkanalig in hoher Auflösung übertragen zu können.
Zukunft
Einen wirklichen Schritt nach vorne werden uns wahrscheinlich erst gänzlich neue Wiedergabeverfahren wie die Wellenfeldsynthese, "Binaural Sky" oder die Delta-Stereofonie bringen. Neben den Raum-Abbildungsproblemen, die quasi erst in unserem Kopf entstehen, ist der sehr kleine "Sweet Spot" ein Problem der 5.1-Abbildung.
Sweet Spot
Stellen Sie sich vor, Sie haben nicht nur bei fixiertem Kopf und einem Bewegungsradius von einem Meter eine räumlich gute Klangabbildung, sondern Sie können sich frei innerhalb des Surround-Raumes bewegen, bei transparenten Raumeindruck und guter Ortung einzelner Signale. Mit den genannten Einschränkungen unserer Wahrnehmungsfähigkeiten lässt sich so ein optimales Szenario nur mit sehr vielen Lautsprechern bewerkstelligen. Erste Entwicklungen hierzu gibt es bereits; sie sind leider noch sehr aufwendig und damit auch sehr teuer. Neben der Qualitätssteigerung ist auch die Verfügbarkeit von Surround-Material ein wichtiges Kriterium für die Verbreitung des Mehrkanaltons in den Wohnzimmern. In den letzten Jahren wurde bei Stereo-Material weitgehend auf eine Qualitätssteigerung zugunsten der schnellen Verfügbarkeit verzichtet. Es ist eben einfacher und günstiger, MP3-Files aus dem Internet herunter zu laden, als CDs zu kaufen. Die Verbreitung von Surround-Formaten ist um einiges komplizierter als die Verbreitung von Stereo-Musik. Bisher erreichen Surround-fähige Aufnahmen fast ausschließlich über Film-DVDs das heimische Wohnzimmer.
Die reinen Audio-Formate DVD-Audio und SACD (Super Audio CD) haben sich unwiederbringlich nicht durchgesetzt. Bei dem vermeintlichen Nachfolger Blu-Ray Disc steht vorerst die Video-Nutzung im Vordergrund.
Seit 2007 gibt es nun das MPEG-Surround-Format. Mit einem lediglich 20 % höheren Datenvolumen gegenüber herkömmlichen MP3-Dateien können MPEG-Surround-Dateien problemlos heruntergeladen werden. Diese können auf jedem MP3-Spieler auch in Stereo abgespielt werden, sie sind also abwärtskompatibel. Werden sie über einen MPEG-Surround-Decoder abgespielt, wird der komplette 5.1-Sound wiedergegeben. Auf den Internetseiten des Fraunhofer-Instituts finden Sie MPEG-Surround-Player und -Encoder, die kostenfrei heruntergeladen werden können. Sie finden dort auch kostenlose Plugins für den Internet Explorer und auch für Winamp.
Sofern Sie eine Surround-Anlage an den Audioausgängen Ihres Rechners angeschlossen haben, können Sie die Audio-Beispiele der Fraunhofer-Site anhören. Auf der dem Buch "Surround im Musikstudio" beiliegenden DVD finden Sie auch Files zur Kanalidentifikation und einen Beispielsong im MPEG Surround, die über diese Player abspielbar sind.
Zusätzlich gibt es mit Hilfe des entsprechenden Decoders (Ensonido) ein akzeptables Surround-Erlebnis für Ihren Stereo-Kopfhörer!
Auszug aus SURROUND IM MUSIKSTUDIO
Autor: Rolf Seidelmann
Wizoo Publishing GmbH 2008
192 Seiten
34,- Euro